Der fair-Weltladen ist 2006 mit der Absicht angetreten, Menschen in allen Teilen der Welt dadurch zu helfen, dass ihnen über den Verkauf ihrer Produkte zu fairen Preisen ein gutes Leben ermöglicht wird, ohne Abhängigkeit von Großkonzernen und Großgrundbesitzern, mit der Möglichkeit einer Gesundheitsversorgung, Schulbildung und einer verbesserten Bezahlung, die ein würdevolles Leben ermöglicht. Aufgrund der gegenwärtigen Strukturen sind die Margen zwischen Großhändlern und den einzelnen (Welt-)Läden so gering, dass Weltläden bisher fast ausschließlich nur ehrenamtlich betrieben werden können. Das bedeutet, dass viele Ehrenamtliche viel Zeit und Herzblut in diese gesellschaftlich notwendige Arbeit investieren. Hinzu kommt, dass der Gewinn eines Geschäftsjahres nur den Bruchteil eines Jahresumsatzes ausmacht. Umso schwerer wiegt es, wenn einem Weltladen durch unrechtmäßige Handlungen hohe Geldsummen verloren gehen.
Mitte des Jahres 2005 ensteht unter den Grafingern Ottilie Eberl, Beate Eckert und Uwe Peters die Idee, nach Schließung des Eine-Welt-Ladens in der Griesstraße, in Grafing einen „Weltladen" neu zu gründen. Nach einigen Diskussionsrunden in etwas erweiterter Runde wird den Initiatoren klar, dass das Vorhaben, auf ehrenamtlicher Basis einen „Weltladen" zu betreiben, nicht ganz einfach werden würde. Sie wollen dem Projekt eine rechtliche Basis verschaffen und bald steht die geeignete Rechtsform für das Projekt fest: Eine Genossenschaft soll es sein. Diese Rechtsform wird ausgewählt, da sie sehr demokratisch ist und das Geschäftsrisiko auf viele Schultern verteilt.
Nun gilt es, die Idee von „fair" in Grafing zu verbreiten und die zukünftigen Genossen zu werben. Durch mehrere Veranstaltungen in Form von Informationsabenden können die Initiatoren im Herbst 2005 bereits einige Bürger für das Projekt gewinnen. Vom angestrebten Startkapital von 25.000 Euro ist man allerdings zunächst noch weit entfernt. Einige Besucher der Informationsabende sind jedoch so begeistert von der fairen Idee, dass sie sich dazu entschließen, das Projekt aktiv zu unterstützen. So bildet sich eine bunt gemischte Arbeitsgruppe, die sich ab Januar 2006 regelmäßig trifft, um das weitere Vorgehen zu planen. Diese kreative Gruppe – die eigentlich nur aus Laien mit unterschiedlichen Talenten besteht – organisiert nun immer wieder Informationsstände und nutzt jede Gelegenheit dazu, „fair" bekannt zu machen. Die Idee des Projekts spricht sich herum und wird auch in der Presse immer wieder positiv begleitet.
Durch das professionelle Auftreten und Vorgehen unserer Engagierten können bis zur Gründungsversammlung am 19. Mai 2006 bereits über 80 Genossenschaftsmitglieder geworben werden. Parallel zur Mitgliederakquise müssen der Businessplan ausgearbeitet, Finanzpläne berechnet und Geschäftsräume gefunden werden. Es gilt, Aufgaben und Rollen zu verteilen und zu „lernen", wie ein Einzelhandelsgeschäft, insbesondere ein Weltladen, erfolgreich betrieben und geführt werden kann. Nachdem unsere Genossenschaft „fair-Grafing Weltladen eG" formal gegründet ist, müssen wir noch die Prüfung des Genossenschaftsverbandes bestehen und in ein Genossenschaftsregister eingetragen werden. Nebenbei wird mit großer Anstrengung an der Eröffnung des Ladens gearbeitet. Die Engagierten planen die Einrichtung, entscheiden über das Sortiment und rühren desto stärker die Werbetrommel, je näher der gesetzte Eröffnungstermin rückt.
Schließlich klappt alles perfekt, sogar das Wetter spielt mit – bei überwiegend wolkenfreien Himmel wird der Weltladen am Samstag, den 16. September feierlich eröffnet. Die Genoss*innen und Kund*innen sind begeistert. Die Atmosphäre ist sehr entspannt und die Gäste genießen die Stimmung. Der krönende Abschluss des Tages ist der Auftritt einer Trommlergruppe aus Ghana.
Das restliche Geschäftsjahr 2006 verläuft sehr gut und kann mit einem Jahresüberschuss abgeschlossen werden. Unser Team sowie die Zahl der Genossenschaftsmitglieder ist seither stetig gewachsen.
Während das Laden-Sortiment kontinuierlich erweitert wird und eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema „fairer Handel" durchgeführt werden, gelingt ein besonderer Höhepunkt: Die Bundesministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, besucht unseren Weltladen im Rahmen unseres Sommerfestes im Juli 2008.
Ein weiterer Höhepunkt im Jahr ist 2009 die Auszeichnung unserer Genossenschaft mit dem Fortunat-Weigl-Preis, der viele Jahre von der GEW Ebersberg (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) verliehen wurde und der Projekte honorierte, die sich für Frieden und Gerechtigkeit im Alltag einsetzen.
Bereits etwa zwei Jahre nach Laden-Eröffnung gibt es erste Überlegungen zur Einführung eines Warenwirtschaftssystems, das u.a. die Erhebung und Dokumentation wichtiger Geschäftsdaten automatisieren und erleichtern sollte. Im Juli 2010 ist es dann soweit: Wir führen das WLP-System ein, mit dem wir noch heute gut arbeiten.
Seit Laden-Eröffnung erleben wir von Jahr zu Jahr steigende Umsätze, sodass sich zum Ende des Jahres 2011 auf unserem damals bestehenden Festgeld-Konto ein schönes Polster angesammelt hat, das für den Aufbau der Rücklagen benötigt wird.
Im Dezember 2014 kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Kündigung unserer Räume. Ein großer Schock. Es beginnt eine monatelange, zeitaufwändige und nervenaufreibende Suche nach einem neuen Ladenraum, die erst zum Ende des Jahres 2015 ein vorläufig beruhigendes Ergebnis findet: Für die Zeit ab 1. Januar 2016 wird – befristet – die ehemalige Apotheke am Marktplatz angemietet.
Nach langer und intensiver Vorarbeit vieler motivierter und fleißiger Helfer*innen wird am 8. Januar 2016 der neue Laden am Marktplatz „wieder" eröffnet.
Wegen der bestehenden Befristung des Mietverhältnisses in der „Alten Apotheke" werden abermals viele Gespräche mit potenziellen Vermietern geführt.
Im August 2016 erhalten wir von Herrn Reinhard Riederer die Zusage, in seinem Haus (Marktplatz 18) ab Frühjahr 2017 Räume anmieten zu können.
Am 1. April 2017 wird – wieder mit großem Einsatz vieler Helfer*nnen – der Weltladen im „Riederer-Haus" neu eröffnet.
Die Genossenschaft steht im Juni 2015 kurz vor der Zahlungsunfähigkeit – für fast alle Aktiven ist sie nicht nachzuvollziehen. Der Aufsichtsrat entdeckt, dass seit Anfang 2013 bis Mitte 2015 Tageseinnahmen in Höhe von insgesamt 13.873 € nicht auf das Geschäftskonto eingezahlt wurden, was der Genossenschaft zunehmend Liquidität entzogen hatte. Zwei Gremienmitglieder geben zur Aufrechterhaltung der Liquidität und zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit Darlehen, die im November 2015 zurückgezahlt werden können.
Das verantwortliche Vorstandsmitglied wird von der Mitgliederversammlung im Oktober 2015 für das Geschäftsjahr 2014 nicht entlastet, anschließend aus der Genossenschaft ausgeschlossen und von der Mitgliederversammlung im Juni 2016 für das Geschäftsjahr 2015 ebenfalls nicht entlastet.
Die nicht eingezahlten Tageseinnahmen werden von diesem Vorstand im November 2015 zurückgezahlt.
Die Finanzen zu klären, Rechnungen und Kontoauszüge zu ordnen, um schließlich einen Jahresabschluss und einen Finanzplan erstellen zu können, wird dadurch erschwert, dass die Unterlagen ungeordnet und unvollständig ausgehändigt werden.
Wegen weiterer festgestellter Unregelmäßigkeiten finden im Sommer und Herbst 2016 intensive Recherchen statt. Diese führen zu der Erkenntnis, dass der Genossenschaft über die ursprünglich nicht eingezahlten Tageseinnahmen hinaus, ein finanzieller Schaden von weiteren ca. 20.000 € entstanden ist.
Im Oktober 2016 akzeptiert das genannte Vorstandsmitglied einen Strafbefehl in Höhe von 9.000 € wegen Untreue in drei Fällen in den Jahren 2013 bis 2015.
Im selben Monat stellt die Genossenschaft wegen des zusätzlich festgestellten Schadens eine Schadenersatzforderung, die im Januar 2017 gerichtlich geltend gemacht wird. Das zivilgerichtliche Verfahren endet am 13. Juni 2018 mit einem gerichtlichen Vergleich, bei dem sich das ehemalige Vorstandsmitglied verpflichtet, der Genossenschaft 10.000 € zu zahlen. Die Zahlung erfolgt im Juli 2018.
Sie bildet den Schlusspunkt zu diesem Kapitel verlorenen Vertrauens.
Die Erfahrungen der Jahre 2015 bis 2018 (mit Vorlauf seit 2012) sind für uns Weltladen-Aktive sehr sehr bitter gewesen!
Wir haben jedoch unsere Lehren gezogen: Wir haben für alle Bereiche des Finanz-Wesens neue und klare Strukturen entwickelt. Im November 2015 wurde z.B. ein Finanz-Controlling zur Schaffung voller Transparenz aller Buchungsvorgänge eingeführt. Ein erneuter Missbrauch ist damit so gut wie ausgeschlossen. Wir sind neu und bestens aufgestellt.
Seit unserem Umzug an den Marktplatz Anfang 2016 stellen wir eine starke Belebung hinsichtlich der Laufkundschaft und insgesamt deutlich höhere Umsätze fest.
Ende März 2017 wird für den Weltladen am Wochenmarkt (Hans-Eham-Platz) mit großem Erfolg die erste „fair-Steigerung" durchgeführt.
Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 2017 führt der Weltladen die Möglichkeit zur Bezahlung per Bankkarte ein. Diese Maßnahme führt erneut zu nennenswerten Umsatzsteigerungen.
Bei einer der traditionellen Team-Klausuren im Februar 2018 wird beschlossen, im Sommer ein großes Fest im Riederer-Haus zu veranstalten und einiges mehr.
So wird ein fair-trade/fair-play-Gewinnspiel zur Fußball-WM 2018 veranstaltet, an dem sich fast 100 Personen beteiligen.
Im Juli 2018 findet das geplante Sommerfest statt. Hier werden die Sieger des o.g. Gewinnspiels bekannt gegeben. Erstmalig singt der faire Chor, bestehend aus fairen Team-Mitgliedern. Und es findet eine Modenschau statt, bei der sich einige Team-Mitglieder als Modelle zur Verfügung stellen. Die Festgäste sind begeistert!
Oktober 2018: Mit 162 Mitgliedern haben wir den höchsten Stand seit Bestehen der Genossenschaft, was die Attraktivität des fairen Gedankens in einer zunehmend globalisierten Welt unterstreicht.